"GUTES WOLLEN, DAS BESTE TUN"

Von Dr. Julius Schoeps

»Ich handele mit Vernunft …« ist eine Formulierung, die dem Berliner Philosophen Moses Mendelssohn (1729–1786) zugeschrieben wird. Angeblich soll der »deutsche Sokrates«, wie Mendelssohn von seinen Zeitgenossen genannt wurde, diese Formulierung gebraucht haben, als er, zu Friedrich II. nach Sanssouci in Potsdam bestellt, von einer Torwache angehalten und gefragt wurde: »Jude, womit handelt er«? Die Geschichte mag erfunden sein, charakterisiert aber treffend, wofür Mendelssohn als Philosoph Ende des 18. Jahrhunderts stand: für Aufklärung, Vernunft und Toleranz.

2004 von den Brüdern Julius und Manfred Schoeps als Nachfahren der Familie Mendelssohn gegründet, fühlt sich die Moses Mendelssohn Stiftung den Ideen des großen »Weltweisen« verpflichtet und ist bemüht, im Sinne des Gemeinwohls in Wissenschaft und Kultur neue Entwicklungen anzuregen sowie Kreativität und Engagement auf verschiedenen gesellschaftlichen Feldern zu fördern. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten unterstützt sie Projekte, die der Verbreitung von Aufklärung, Vernunft und Toleranz in Wissenschaft, Kultur und Gesellschaft dienen. Die Stiftung, in der Tradition der 1929 gegründeten »Moses Mendelssohn Stiftung zur Förderung der Geisteswissenschaften« stehend, arbeitet dabei eng mit dem Moses Mendelssohn Institut in Berlin und Hamburg sowie der Moses Mendelssohn Akademie und dem Berend Lehmann Museum in Halberstadt zusammen. Alle Einrichtungen sind gemäß Satzung und Programm gehalten, Aktivitäten im Geiste Moses Mendelssohns zu entwickeln.

Als Dach der GBI-Unternehmensgruppe, trägt die Stiftung diesen Gedanken auch in das unternehmerische Handeln und sucht dieses mit gesellschaftlichem Engagement zu verbinden. So fördert die Stiftung den durch die Unternehmensgruppe gesteuerten Bau von studentischen Apartmenthäusern, um jungen Forschenden und Auszubildenden ein inspirierendes Wohn- und Lernumfeld zu schaffen, kulturellen Austausch zu begünstigen sowie eine besondere Gedenk- und Erinnerungskultur im Hinblick auf die jüdische Geschichte im deutschsprachigen Raum zu vermitteln. Daher sind die Apartmenthäuser nach Persönlichkeiten der deutsch-jüdischen Geschichte benannt: David Friedländer, Lotte Laserstein und Else Ury [in Planung] in Berlin, Karl Wolfskehl in Darmstadt, Berend Lehmann in Essen, Franz Oppenheimer in Frankfurt, Franz Rosenzweig in Freiburg, Hannah Arendt, Hedwig Klein [in Planung], Albrecht Mendelssohn Bartholdy, Gabriel Riesser, Ebba Simon und Herbert Weichmann in Hamburg, Lilli Jahn und Alphons Silbermann in Köln, Ludwig Bamberger in Mainz, Alexander Haindorf in Paderborn und Martin Buber in Wien. Die Namensgeberinnen und Namensgeber stehen stellvertretend für die vielen Kulturschaffenden und Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Wissenschaft im deutschsprachigen Raum, die wegen ihrer jüdischen Abstammung nicht selten gesellschaftlich ausgegrenzt und während des Nationalsozialismus verfemt und verfolgt wurden und nach 1945 vielfach in Vergessenheit gerieten. In Wolfenbüttel wird derzeit die ehemalige jüdische Samsonschule in studentisches Wohnen umgewandelt. In einem der ehemaligen Klassenräume wird eine Dauerausstellung eingerichtet, die an ehemalige Schüler wie beispielsweise Leopold Zunz, den Begründer der „Wissenschaft des Judentums“, oder Emil Berliner, den Erfinder der Schallplatte, erinnert.

Außerdem wird seit vielen Jahren die Moses-Mendelssohn-Medaille an Menschen verliehen, die sich um die europäisch-jüdische Verständigung besonders verdient gemacht haben. Zu den Preisträgern der Vergangenheit gehören Berthold Beitz, Hildegard Hamm-Brücher und Friede Springer.

Aktuell wird an einem Pilotprojekt gearbeitet, das junge Menschen noch stärker in die Gedenk- und Forschungsarbeit einbinden möchte. Mit dem geplanten Else Ury Campus, einem Wohn- und Lernort für Studierende in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mahnmal „Gleis 17“ an der S-Bahn Berlin Grunewald, von wo aus zwischen 1941 und 1945 Berliner Jüdinnen und Juden deportiert und in den Tod geschickt wurden, sollen sich in den nächsten Jahren junge Menschen unter wissenschaftlicher Anleitung mit der aktuellen und künftigen Gedenkkultur auseinandersetzen. Die Moses Mendelssohn Stiftung möchte dort ein Dokumentationszentrum errichten, das sich den damaligen 55.000 Deportierten widmen will. Neben Recherchen und der Rekonstruktion der Lebensläufe, sollen sich die künftigen Bewohnerinnen und Bewohner des mit etwa 150 Apartments ausgestatteten Campus aber auch mit aktuellen Formen des Antisemitismus, der Intoleranz und Fremdenfeindlichkeit und adäquaten Gegenstrategien beschäftigen. Mit diesem Projekt sollen die bisherigen Aktivtäten der Stiftung einen zentralen Aktionsort finden, an dem neben den erwähnten Forschungsprojekten auch eigene und geförderte Ausstellungen Dritter, mobile Klassenzimmer für Berliner Schulen, Konzerte von Nachwuchsmusikern, Vortragsreihen für die Interessierte Öffentlichkeit und Workshops für Multiplikatoren durchgeführt werden. All dies im Sinne des Namenspatrons Moses Mendelssohn, dessen Zitat: „Nach Wahrheit foschen, Schönes lieben, Gutes wollen, das Beste tun - das ist die Bestimmung des Menschen“ den Leitgedanken der Stiftung darstellt.

Professor Dr. Julius Schoeps ist Vorstandsvorsitzender der Moses Mendelssohn Stiftung.

Bild: Mendelssohn Stiftung (© GBI Holding AG)