MIT INVESTMENTS DIE WELT VERBESSERN

Von Christian Hunziker

Wo einst in Aachen die belgische Armee ein Depot betrieb, befindet sich seit 2018 das Wohnquartier Guter Freund: ein Ensemble mit 248 Wohnungen, einer Kindertagesstätte und einer Tagespflegeeinrichtung für Senioren. Mit dem Immobilien Manager Award für Projektentwicklung Neubau und dem Polis Award für Stadt- und Projektentwicklung ausgezeichnet, gilt das neue Wohnviertel als Vorzeigebeispiel einer sozialen Quartiersentwicklung – dank einem hohen Anteil an günstigen Wohnungen, der Förderung guter Nachbarschaft, einem nachhaltigen Mobilitätskonzept und nicht zuletzt dem Recycling einer einst militärisch genutzten Liegenschaft. „Wir möchten Vordenker und Wegbereiter in der Brache sein“, sagt Jens Kreiterling, Vorstand der Aachener Landmarken AG, die das Quartier Guter Freund entwickelt hat. Dabei lege das Unternehmen großen Wert auf ökologische und soziale Aspekte seiner Projekte. Und das offenbar erfolgreich – jedenfalls steht nach Ansicht des Instituts für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) das Quartier Guter Freund für einen neuen Ansatz des Investierens: In dem 2021 veröffentlichten „Praxisleitfaden Social Impact Investing“ führt das ICG das Projekt als positives Beispiel für Impact Investing an. Gemeint ist mit diesem Begriff ein Investitionsansatz, der nicht allein eine finanzielle Rendite anstrebt, sondern auch eine positive soziale und/oder ökologische Wirkung. „Nicht nur die Rendite, auch Wirkung zählt“, formuliert es Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende des ICG. „Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit müssen selbstverständliche Bestandteile aller immobilienwirtschaftlichen Geschäftsmodelle werden.“ Das ist ein hoher Anspruch für eine Branche, die in der Öffentlichkeit nicht unbedingt als Inbegriff sozialen Verantwortungsbewusstseins gilt. „Das Thema Impact Investing ist in der Immobilienwirtschaft noch recht neu“, sagt denn auch Sophie Kazmierczak, Co-Vorsitzende des Arbeitskreises Immobilien in der Bundesinitiative Impact Investing. „Es ist jetzt aber auf dem Weg, die Nische zu verlassen und in die Mitte zu rücken.“ Dafür sind nach Ansicht Kazmierczaks hauptsächlich zwei Gründe ausschlaggebend. Zum einen zeige sich ein gesellschaftliches Umdenken hin zu mehr Nachhaltigkeit; zum anderen führten die regulatorischen Vorgaben auf EU- und Bundesebene – etwa die EU-Taxonomie und die Offenlegungsverordnung – dazu, dass sich Projektentwickler und Investoren mit Fragen der Wirkung auseinandersetzen müssten. So definiert zum Beispiel die Offenlegungsverordnung unterschiedliche Kategorien von Fonds: Während Artikel-8-Fonds ESG-Belange (die Abkürzung ESG steht für Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung) in die Anlageentscheidung einbeziehen, streben Artikel-9-Fonds aktiv ökologische oder soziale Ziele an. Impact Investing ist somit nicht einfach ein anderer Begriff für eine nachhaltige Investitionsstrategie. „Bei ESG geht es darum, keinen Schaden anzurichten“, erläutert Andreas Rickert, Vorstandsvorsitzender der Phineo gAG und Co-Autor des „Praxisleitfadens Social Impact Investing“. Impact-Investitionen hingegen generieren laut Rickert „aus einem Projekt einen positiven Effekt für nachhaltige Belange“. Nur: Wie misst man diese positiven Effekte? Das ist vor allem bei sozialen Wirkungen nicht einfach, wie Sophie Kazmierczak von der Bundesinitiative Impact Investing einräumt. „Oft behilft man sich deshalb mit statischen Kennzahlen, also beispielsweise mit der Anzahl Quadratmeter bezahlbarem Wohnraum, die durch die Investition geschaffen wird“, erläutert sie. „Ein weitergehender Ansatz ist es, im Zeitverlauf die Nutzerzufriedenheit in regelmäßigen Abständen abzufragen und dadurch die positive Wirkung messbar zu machen.“

Erfüllt ist diese Anforderung demnach bei der Offenen Schule Köln, die 2022 fertiggestellt sein wird: Sie ist von der Next Generation Invest übernommen worden, einer 2020 gegründeten, auf Impact Investing spezialisierten Investmentgesellschaft, bei der Kazmierczak als Sustainable Finance Managerin arbeitet. Next Generation Invest begründet die zu erwartende positive Wirkung zum einen mit dem integrativen Konzept der Offenen Schule, das darauf basiert, Kinder und Jugendliche – unabhängig von ihrer Herkunft und einer eventuellen Behinderung – in einer individuellen Lernkultur zu fördern. Zum andern wird das neue Gebäude hohen ökologischen Ansprüchen genügen. Weil aber das Impact-Konzept am deutschen Investmentmarkt noch recht neu und die Wirkungskriterien nicht klar definiert sind, besteht nach Ansicht von Experten die Gefahr von „Social Washing“, also der Analogie zum „Green Washing“, bei dem Immobilien als ökologisch nachhaltiger dargestellt werden, als sie in Wirklichkeit sind. Eine weitere offene Frage ist, ob die positive Wirkung zu Lasten der finanziellen Rendite geht. Langfristig nicht, antwortet Sophie Kazmierczak und nennt dafür unter anderem diesen Grund: „Unternehmen, die auf Impact Investing setzen, ziehen besonders motivierte Mitarbeiter an – und das wirkt sich positiv auf den Geschäftserfolg aus.“ Jedenfalls scheint das Konzept allmählich an Bedeutung zu gewinnen: Nach Zahlen der Bundesinitiative Impact Investing waren in Deutschland im Jahr 2020 branchenübergreifend (also nicht nur in der Immobilienwirtschaft) rund 2,9 Milliarden Euro im Impact-Bereich investiert – 2015 hatte das entsprechende Marktvolumen erst 69 Millionen Euro betragen. Christian Hunziker ist freier Autor und auf das Thema Immobilienwirtschaft spezialisiert. Er arbeitet unter anderem für die FAZ und die Welt.

Bild: Ein „Guter Freund" für Aachen (© Manfred Kistermann)